Der vpsg-Arbeitskreis „Religion und Psychiatrie“ hat in Kooperation mit drei muslimischen Gemeinden (der Şehitlik-Moschee in Neukölln, der Darul Hikma in Moabit und dem Alrissala Zentrum in Gesundbrunnen) das interkonfessionelle Projekt „Psychiatrische Beratung in religiös-gemeindlichen Kontexten mit besonderer Berücksichtigung muslimischer Gemeinden“ initiiert – wir berichteten in einer Pressemitteilung am 02.11.15. hier lesen
Das Projekt firmiert unter dem Namen PIRA – Psychiatrie – Information – Religion – Austausch und wird gefördert durch die Lottostiftung Berlin. Weitere Zusammenarbeiten mit christlichen sowie ggf. buddhistischen Gemeinden sind in Planung.
PIRA Projekt-Flyer zum Download finden Sie
hier (deutsch/türkisch)
hier (deutsch/arabisch)
Vortrag Frau Dr. Munk
Am 26. Januar 2016 fand in der Şehitlik-Moschee am Columbiadamm die Auftaktinformationsveranstaltung zur Eröffnung der wöchentlichen psychiatrischen Sprechstunde statt, die vom Sprecher und Koordinator des Projektes, Dr. Norbert Mönter, moderiert wurde. Der Imam, Herr Müfit Sevinç, eröffnete die Veranstaltung mit der Rezitation einer Koransure.
Der Vorstandsvorsitzende der Gemeinde, Herr Ender Cetin, erläuterte, dass der Mensch aus Leib und Seele bestehe und es unsere Pflicht sei, beides zu pflegen. Anschließend hielt Frau Dr. Ingrid Munk, Chefärztin des Vivantes Klinikums Neukölln, einen Vortrag über die häufigsten psychiatrischen Erkrankungen und deren Behandlungsmöglichkeiten. Das psychiatrische Beratungsangebot, Konzept und Rahmenbedingungen, wurden der Gemeinde vorgestellt durch Herrn Dr. Norbert Mönter, der auch auf vielfältige Berührungspunkte zwischen Religion und Psychiatrie hinwies, und dem Psychologen Herrn Özgür Cengiz, der die Beratung durchführen wird.
Herr Cengiz erklärte, dass ein wesentliches Ziel des Beratungsangebotes sei, Menschen mit seelischen Problemen über die verschiedenen Anlaufstellen und Hilfemöglichkeiten innerhalb des gesundheitlichen Versorgungsnetzes zu informieren. Das Hauptaugenmerk liege hierbei auf Personen, die sich vor einem religiösen und/oder kulturellen Hintergrund schwertun, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Im Weiteren betonte Herr Hakan Ayrılmaz von der Selbsthilfevereinigung „Bipolaris“ den Nutzen des Austausches zwischen Betroffenen. Frau Gudrun Weißenborn, Landesverband Berlin der Angehörigen psychisch Kranker e. V. (APK), hob das soziale Umfeld (Angehörige, Familie, Freunde) als den Ort, an dem die Genesung stattfindet, hervor.
In einer lebhaften Diskussion um Stigmatisierung, die Rolle von Geistern (sog. Dschinns) bei psychiatrischen Erkrankungen und den Vorbehalt gegen „christliche“ Medikamente wurde einmal mehr der Bedarf an religions- und kultursensibler Aufklärung und Beratung sowie die Bedeutsamkeit des Dialogs zwischen Vertretern der Religions-
gemeinschaften und der Gesundheits-
versorgung deutlich.
Eine enge Zusammenarbeit mit dem Imam der Gemeinde wurde verabredet.
Der Abend klang schließlich bei einem Glas türkischen Tee in gemütlicher Runde aus.
Am nächsten Tag war die psychiatrische Beratung gut besucht und den ersten Ratsuchenden konnte bereits weitergeholfen werden.
Wir sind optimistisch, dass sich die neu eingerichtete Sprechstunde in Zukunft als erste Anlaufstelle bei seelischen Problemen etablieren wird.
(Autor: Dr. Norbert Mönter)
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