Verein startet psychiatrisches Informations- und Beratungsangebot in religiös-gemeindlichen Kontexten

Der Verein für Psychiatrie und seelische Gesundheit e.V., ein von niedergelassenen Nervenärzten und Psychiatern initiierter, gemeinnütziger Verein mit über 250 Mitgliedern professioneller Psychiatrie-Akteure verschiedenster Berufsgruppen, teilt den Beginn seines Projektes „Psychiatrische Beratung in religiös-gemeindlichen Kontexten mit besonderer Berücksichtigung muslimischer Gemeinden“ mit. Ermöglicht wird das interkonfessionelle Projekt durch die jetzt erfolgte Bewilligung einer auf 3 Jahre angelegten Förderung durch die Lottostiftung Berlin.

Konkret werden durch das Projekt regelmäßige wöchentliche Beratungsstunden in 3 Berliner muslimischen Gemeinden (Shehitlik-Moschee in Neukölln, Darul Hikma (Haus der Weisheit, ein Bildungs- und Moscheeverein) in Moabit und Alrissala Zentrum in Gesundbrunnen) sowie – mit weitmaschigerem Intervall – in den von christlichen Kirchen unterstützen Einrichtungen der „Offenen Tür“ und der „Lebensberatung im Berliner Dom“ implementiert.
Mit diesem Beratungsangebot soll Mitgliedern religiöser Gemeinden, auch Glaubensgemeinschaften vor Ort in Moscheen bzw. in Beratungsstellen die Möglichkeit gegeben werden sich über Hilfe- und Behandlungsmöglichkeiten bei psychischer Erkrankung zu informieren, ggf. auch muttersprachlich (türkisch oder arabisch). Wie auch Erhebungen von Krankenkassen belegen, ist die psychiatrische Versorgung von Patienten mit Migrationshintergrund trotz hoher psychiatrischer Morbidität unzureichend.
Zudem ist das Verständnis psychischer Erkrankungen hinsichtlich ihrer Verursachung und auch der Therapien häufig noch von religiös begründeten Vorurteilen geprägt wie beispielsweise durch die Annahme (psychische) Erkrankungen seien eine Strafe Gottes oder die bei einer schizophrenen Erkrankung auftretenden Halluzinationen wie z.B. Stimmen-Hören seien Folge des Einflusses von Dschinns (Geistern).

Im vpsg befasst sich ein interreligiöser Arbeitskreis bereits seit mehreren Jahren mit dem besonderen Verhältnis, welches zwischen „Religion und Psychiatrie“ besteht und auch einige gemeinsame Wurzeln aufweist.

Als Vorläufer des jetzigen Beratungsprojektes wurde vom genannten Arbeitskreis des vpsg in 2013 /2014 eine Informationsreihe „Psychiatrie-Info in der Moschee“ durchgeführt: Psychiater und Psychotherapeuten des Vereins referierten zu wichtigen psychiatrischen Erkrankungen wie Depression, Angst, Schizophrenie, Demenz, Sucht und Erkrankungen des Kindesalters in der Shehitlik-Moschee; die von türkischen Psychiaterinnen bzw. Psychotherapeutinnen live übersetzten Vorträge dieser auch vom Gemeindevorstand aktiv unterstützten Veranstaltungsreihe fanden eine beachtliche Resonanz mit vielen Teilnehmern und engagierten Diskussionen.

Das schon langzeitig geplante Projekt erfährt durch die aktuelle Flüchtlingssituation eine besondere Aktualisierung.
Religiöse Gemeinschaften/ Gemeinden stellen für Migranten angesichts ihres Verlustes von Heimat und biographisch Vertrautem einen besonderen Ort der Geborgenheit dar, real in den sozialen Gemeinschaften, aber auch im Sinne innerpsychischer, „symbolischer Orientierung“. Religiöse Gemeinschaften/ Gemeinden haben für die gesunde seelische Verfasstheit, aber auch für Hilfebedarf und Hilfesuche bei psychischer Verstörtheit, Störung, Erkrankung eine hohe Bedeutung. So kann der soziale Kontext religiöser Gemeinschaften einen tragfähig-konstruktiven Hintergrund von der Diagnose-Stellung bis zur differentieller Therapie bei psychischen Störungen und Erkrankungen bieten.
Am Projekt beteiligen sich mehrere muttersprachlich türkische und arabische PsychiaterInnen, KinderpsychiaterInnen und PsychotherapeutInnen sowie weitere engagierte PsychiaterInnen und PsychotherapeutInnen des Vereins für Psychiatrie und seelische Gesundheit.

Lesen Sie auch zum Thema auf den Seiten der Gesundheitsstadt Berlin:
Berliner Psychiater starten Angebot für Muslime

(Autor: Dr. N. Mönter)

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