Großes Publikumsinteresse für 10. Berliner psychiatrisch-religionswissen-schaftlichen Colloquium am 14.11.2018 im Harnack Haus

Das Thema des diesjährigen Berliner psychiatrisch-religionswissen-schaftlichen Colloquiums „Religionssensible Psychotherapie wirkt … nicht zuletzt auf Therapeuten – Über psychiatrische Identität(en) und Perspektiven“ fand eine bemerkenswerte Resonanz.
Der Verein für Psychiatrie und seelische Gesundheit zählte im traditionsreichen Harnack Haus in Berlin-Dahlem über 120 Teilnehmer, wovon nicht wenige aus anderen Regionen u. a. aus München, Heidelberg, Köln, Hannover, Bremen angereist waren.

Durch das Colloquium führte Dr. Norbert Mönter, der auch zu den Begründern des Colloquiums zählt. In seiner Einleitung dankte er den engagierten Mitgliedern des Arbeitskreises (AK) „Psychiatrie und Religion“ im vpsg, die mit ihrer seinerzeitigen „polylogischen“ Initiative bundesweit zu den Vorreitern für eine breitere Thematisierung von Religiosität und Spiritualität in der Psychiatrie zählten.
Es gelte, die individuellen wie kollektiven Ressourcen und auch die Gefahren, die sich mit religiösen Überzeugungen mit Blick auf die seelische Gesundheit verbinden, differenziert anzusprechen und zu reflektieren.
Dass dieses Thema mittlerweile auch in der wissenschaftlichen Diskussion angekommen sei, zeige die beachtliche Zunahme entsprechender Publikationen und Buchveröffentlichungen gerade der vergangenen fünf Jahre, wie auch die Gründung eines Referates „Religion und Spiritualität“ in der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychiatrie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) im Jahre 2013 und die Erarbeitung eines DGPPN-Positionspapiers zum Umgang mit Religiosität und Spiritualität in Psychiatrie und Psychotherapie im Jahre 2016.

Grußworte hielten der renommierte Religionswissenschaftler Prof. Dr. Dr. Peter Antes, ehemaliger Dekan der Leibniz-Universität Hannover, der den AK „Psychiatrie und Religion“ von Beginn begleitet, sowie Hatice Ayhan, FÄ für Psychiatrie und Psychotherapie und Muslima, ebenfalls Mitglied des AK seit seiner Gründung 2006.
Dipl.-Psychologin Elif Alkan Härtwig und der Psychiater Dr. Jihad Alabdullah berichteten nachfolgend vom PIRA–Projekt (Psychiatrie-Information-Religion-Austausch) des vpsg und der Beratung und Informationsarbeit vor allem in türkischen und arabischen Moschee-Gemeinden.

Einleitung, Grußworte und den PIRA-Bericht können Sie
hier als Video ansehen

Eingerahmt wurde das gesamte Colloquium durch sehr stimmungsvolle Beiträge der israelisch-iranischen Musikgruppe „Sistanagila“, die mit ihrer Musik gleichfalls für Brückenbau und Dialog unter den Kulturen stehen.

„Religiöse Identität und psychotherapeutische Professionalität“ lautete das Vortragsthema von Dr. med. Ibrahim Rüschoff, niedergelassener Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie in Rüsselsheim, Mitglied des Zentralrates der Muslime in Deutschland.
Diesen u.a. wegen der authentischen Schilderung seiner jahrzehntelangen therapeutischen Arbeit mit muslimischen Patienten sehr interessanten Vortrag können Sie hier als Video sehen.

Den Hauptvortrag des Colloquiums hielt Prof. Dr. Wielant Machleidt, langjähriger Direktor der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Wielant Machleidt ist Initiator und federführender Verfasser der bundesweit als Standard anerkannten „12 Sonnenberger Leitlinien“ zur Früherkennung und Frühbehandlung psychischer Erkrankungen bei Migrantinnen und Migranten (2002). Auf dem Colloquium sprach er zum Thema „Fremde Welten, fremde Religionen, fremde Psyche in unseren Praxen und Kliniken – (wie) verändert sich unser therapeutisches Denken und Handeln?“.

Sie können diesen Vortrag hier als Video sehen.

In der abschließenden Podiumsdiskussion, die von Dr. med. Dipl.-theol. Hans Willner, ChA der Abt. für Kinder-und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie des St. Josephs Krankenhaus Tempelhof geleitet wurde, ging es u.a. um Fragen, was Seelsorger/innen von Psychotherapeuten/innen unterscheidet sowie nach dem zukünftigen Verhältnis von Religion und Psychiatrie, beispielsweise ob mehr Abgrenzung oder wachsende Kooperation zu erwarten sei.

Auf dem Podium diskutierten die Klinikleiterin (Alexianer Klinik Weißensee) und Past-president der DGPPN Dr. Iris Hauth, der Leiter der Charité-Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und seit November 2018 amtierender DGPPN-Präsident Prof. Dr. Dr. Andreas Heinz sowie der Leiter des DGPPN-Referates Religion und Spiritualität Prof. Michael Utsch, die Vorsitzende des vpsg und FÄ für Psychiatrie und Psychotherapie Alicia Navarro Ureña sowie die zuvorigen Referenten Prof. Wielant Machleidt und Dr. Ibrahim Rüschoff.
Das Thema und die Podiumsdiskussion führte auch das Publikum (u.a. mit Dr. theol. Thomas Beelitz und Prof. Dr. Sepp Bäuml) zu einer lebhaften Beteiligung.

Sie können die Podiumsdiskussion hier (Teil 1) und
hier (Teil 2) als Video sehen.

Die Tagung fand ihren Abschluß mit Dank an alle Referenten und Tagungsteilnehmer durch Norbert Mönter sowie mit der Vorankündigung des 11. Berliner psychiatrisch-religionswissenschaftlichen Colloquiums im November 2019, bei dem es um psychische Erkrankungen, Stigmatiserung, Missbrauch und Sexualität im religiösen Kontext gehen wird.

(Autor: Dr. N. Mönter)

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