Zum Thema „Psychiatrische Integrierte Versorgung in Berlin – Implementierung und Weiterentwicklung“ fand am 2.11.07, organisiert vom Verein für Psychiatrie und seelische Gesundheit, eine Fachtagung mit ca. 150 Teilnehmern im Harnack-Haus in Berlin-Dahlem statt. Inhaltlich getragen wurde die Veranstaltung von Vertretern aller im ambulanten Versorgungsnetz Tätigen unter Ergänzung von Vertretern des klinischen Bereiches und Vertretern der Krankenkassen.
Die Veranstaltung war schon frühzeitig ausgebucht und gut spürbar war allenthalben eine Aufbruchstimmung. Diese kam auch in den Grußworten von Herrn Zechert vom Dachverband Gemeindepsychiatrie, der breite Unterstützung für das IV-Konzept signalisierte, von Frau Dr. Hauth vom Referat Integrierte Versorgung der DGPPN sowie in den Grußworten der Angehörigenvertreterin Frau J. Cramer und des Betroffenenvertreters Herrn R. Wojke zum Ausdruck.
Nach den einleitenden Grußworten hielt Dr. Mönter einen motivierenden Vortrag zur IV-Philosophie. Die Kernbotschaft war, vom Denken in institutionalisierten Grenzen wegzukommen hin zu dem, was funktional aus Sicht der Betroffenen sinnvoll ist. Führend müsse der ambulante Bereich mit seinen heute bei weitem nicht ausgeschöpften Behandlungsmöglichkeiten sein. Kommunikation, Vernetzung und Beziehung sind die entscheidenden neuen Aspekte einer sich ganzheitlich verstehenden Versorgungskonzeption.
Sehr viel Anerkennung gab es für Herrn Gerd Holler, der als einer der Väter des auch in Berlin praktizierten IV-Modells zu bezeichnen ist, als er noch einmal die Chancen von ambulanter integrierter Versorgung darstellte und den langen Weg der Modellentwicklung in Niedersachsen hin zu dem jetzigen IV-Modell skizzierte. Dabei wies er auch auf die beispielhaft gute Kooperation mit der DAK hin, die mit ihrem wegweisenden IV-Vertrag einen Dammbruch im Hinblick auf eine bessere ambulante Versorgung psychiatrischer Patienten ermöglicht hat, zunächst in Niedersachsen und jetzt auch in Berlin-Brandenburg. Die Erläuterungen zu den IV-Verträgen von Herrn Beneke von der DAK Niedersachsen und von Frau Walczak und Frau Gussek von der DAK Berlin-Brandenburg zeigten, wie ernst es den Krankenkassen ist, sich der Verbesserung der psychiatrischen Versorgung anzunehmen.
In Berlin nehmen seit Anfang 2007 jetzt knapp 50 Psychiaterpraxen an der IV teil; die Zahl teilnehmender Patienten liegt bereits weit über 100.
Schon im Juli 2007 hat sich die Hamburg Münchner Krankenkasse dem DAK-Vertrag angeschlossen.
Daß auch die Klinik innerhalb einer auf die ambulante Versorgung ihren konstruktiven Part spielen kann, wurde deutlich im Vortrag von Prof. Stoffels, der für die Berliner Schlosspark-Klinik schon im April diesen Jahres einen Klinik-Kooperationsvertrag mit dem Verein abgeschlossen hat (mittlerweile von 3 weiteren Kliniken unterzeichnet).
Besondere Beachtung fand Herr PD Dr. Bäuml, der Vater der Psychoedukation, der explizit den Ansatz begrüßte, Psychoedukation als integralen Bestandteil eines innovativen ambulanten Versorgungsansatzes zu sehen. Psychoedukation und davon ausgehend der Einbezug der Betroffenen in Therapieentscheidungen und die Stärkung von Bewältigungsstrategien ist zentraler Baustein der hier diskutierten integrierten Versorgung.
Das Problem der Vernetzung innerhalb des innovativen ambulanten IV-Ansatzes wurde in einer Reihe von Workshops abgehandelt. Es gab eigene Workshops zur Soziotherapie und zur ambulanten psychiatrischen Fachpflege, beides Therapieansätze, die eine tragende Säule dieses ambulanten IV-Ansatzes darstellen.
Die Hoffnung auf eine rasche, flächendeckende Realisierung der Integrierten Versorgung war Grundtenor eines Expertenworkshops, an dem Vertreter aus allen Bereichen der psychiatrischen Versorgung in Berlin, der Krankenkassen und der Politik teilnahmen und der von Herrn Reichwaldt, Vereinsmitglied und langjähriger Wegbegleiter der Modellentwicklungen in Niedersachsen moderiert wurde.
In weiteren Workshops wurden u.a. die Schnittstellenproblematik im Hinblick auf die Sozialpsychiatrischen Dienste, die Hausärzte und den klinischen Bereich, der Einbezug der Psychotherapie in die IV und spezifische Erkrankungsbilder im Hinblick auf die neuen Möglichkeiten der ambulanten Langzeitversorgung an Hand der Möglichkeiten der DAK IV-Verträge diskutiert.
Von den etablierten IV-Praxen in Niedersachsen kam Unterstützung durch Dr. Munzel und Dr. Hamann-Roth und Dr. Walle, der die weitreichendsten Praxiserfahrungen mit diesem Modell hat.
Es wurde deutlich, dass mit der Implementierung eines innovativen ambulanten Versorgungssystems wichtige Ziele psychiatrischer Reformbemühungen in greifbare Nähe gerückt sind. Dies gelingt durch eine fundamentale Stärkung der ambulanten Behandlung der klassischen psychiatrischen Erkrankungen mittels eines ambulanten Behandlungsteams, das im Wesentlichen aus dem niedergelassenen Facharzt und der aufsuchenden ambulanten Fachpflege besteht. Die Facharztpraxis entwickelt sich so zu einer so genannten Leitstelle, in der alle notwendigen Interventionen koordiniert werden im Hinblick auf die Langzeitbehandlung von chronischen oder von Chronizität bedrohten psychiatrischen Langzeiterkrankungen. Neben dem fachärztlich verantworteten Gesamtbehandlungsplan erscheinen die Soziotherapie. und die ambulante Fachpflege mit dem Schwerpunkt auf Beziehungsarbeit als die entscheidende Interventionsstrategie.
Zum Schluss noch einige Bemerkungen zum Sozialpsychiatrischen Dienst, dem der Autor dieses Berichtes angehört. Kommunale Aufgaben und die Aufgaben des SpD lassen sich synergistisch zu diesem Modell verstehen. Gerade in der Aufgabenteilung in Krisen- und Notsituationen oder in der Betreuung von sehr chronischen Erkrankungen sind gemeinsame Ansätze notwendig. Kommune und Gesundheitsämter müssen als externes Netzwerk an das sich neu entwickelnde ambulante Versorgungssystem gekoppelt werden und wir alle müssen gemeinsam dafür Sorge tragen, dass aus der zarten Pflanze ein prächtiger Baum mit vielen Jahresringen wird.Das vollständige Tagungsprogramm finden Sie hier (pdf)
Die Teilnehmerliste und aktuelle Informationen zur Integrierten Versorgung finden Sie hier
(Autor: Dr. D. Gagel -Text gekürzt- )
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